Jahrestagung der FG Medienökonomie

 

 

 

Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft

Fachgruppe Medienökonomie

Call for Abstracts

Tagung vom 25.09. – 27.09.2024 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

© Alexander Sell


Alles rational?

Der menschliche Faktor in Medienorganisationen

Call for Abstracts

Medienorganisationen wird häufig unterstellt, dass ihr Handeln stets auf die Erfüllung des Organisationsziels ausgerichtet ist, sei es die Erfüllung des gesellschaftlichen Auftrags oder das Streben nach Gewinnmaximierung. Bei den jeweils untersuchten Akteuren wird in der medienökonomischen Forschung oft unreflektiert von der Prämisse rational handelnder Individuen ausgegangen. Während wir bei Rezipient:innen wie selbstverständlich davon ausgehen, dass diese nicht immer rational handeln, neigen wir dazu, diese Perspektive nicht konsequent auf Medienorganisationen anzuwenden, die aus einer Vielzahl von Individuen bestehen, darunter Medienschaffende und Medienmanager:innen.

Die Realität zeigt jedoch, dass Medienorganisationen nicht immer zielrational handeln. Abweichungen sind in vielerlei Hinsicht festzustellen: Produzent:innen in Landesrundfunkanstalten, die die Quote statt den Impact optimieren, Verleger:innen, die die Verantwortung für die Gesellschaft über den Gewinn stellen, Journalist:innen, die schöne Formulierungen über Klickzahlen stellen, Werbevermarkter:innen, denen der Verkaufsabschluss wichtiger ist als die nachhaltige Reputation der Medienmarke, Medienpolitiker:innen, die einen populistischen Erfolg über umsetzbare Regulierungen stellen etc.

Die Frage, wie Akteure in Medienorganisationen Entscheidungen treffen und welche innerorganisationalen Dynamiken und Einflüsse diese Entscheidungsprozesse prägen, ist sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus gesellschaftlicher Perspektive relevant. Erkenntnisse in diesem Bereich sind sowohl für die Entwicklung und Implementierung von Strategien als auch für deren operative Umsetzung von Bedeutung. Darüber hinaus spielt die Analyse des Spannungsfeldes zwischen den verschiedenen Akteuren eine entscheidende Rolle bei Fragen, die sich im Kontext der Medienproduktion und -finanzierung stellen, um praxisnahe Implikationen zu entwickeln. Nicht zuletzt ist aus gesellschaftlicher Perspektive von Bedeutung, inwieweit die Akteure eigene Ziele verfolgen und diese gegen organisationale Ziele abwägen, da dies mittelbar Einfluss auf die Medieninhalte und deren Qualität hat.

Es ist daher umfassend zu analysieren, wie Individuen in Medienorganisationen ökonomisch handeln, welche Ziele und Motive ihr Handeln leiten und welche Einflüsse dabei eine Rolle spielen. Darüber hinaus sind die Wechselwirkungen zwischen dem ökonomischen Verhalten der Individuen innerhalb der Organisation und dem Handeln der Medienorganisation insgesamt von Bedeutung. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher und zum Teil widersprüchlicher Ziele von und in Medienorganisationen ist Rationalität jeweils eine Frage der organisationalen Perspektive. Entscheidend ist dabei, ob die jeweiligen Akteure über genügend Agency (Handlungsmacht) verfügen, um überhaupt (ir-)rational handeln zu können, oder ob organisationale Zwänge das Handeln so weit vorgeben, dass autonome Entscheidungen eingeschränkt werden.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, was jenseits des Quantifizierbaren als rational gilt. Dies wird besonders deutlich, wenn selbst für gesellschaftliche Ziele wie Demokratieförderung nach Messgrößen gesucht wird. Der Diskurs über Rationalität und ihre Messbarkeit in Medienorganisationen sollte daher verstärkt auch aus der Perspektive der medienökonomischen Forschung geführt werden.

Die Tagung soll der Fachgruppe die Möglichkeit geben, sich systematisch mit dem möglichen Beitrag der Verhaltensökonomik und der Arbeits- und Organisationspsychologie zur Medienökonomie und zum Medienmanagement auseinanderzusetzen. Dabei sind unterschiedliche Perspektiven in den Einreichungen ausdrücklich erwünscht. Sowohl quantitative und qualitative empirische Arbeiten als auch mathematische, ethische oder historische Zugänge sind willkommen.

Mögliche Themen und Fragestellungen für Tagungsbeiträge könnten sein (Liste nichtabschließend!):

  • Führungsstile und ihr Einfluss auf unterschiedliche Ziele:
  • Welche Führungsstile sind für verschiedene Zielsetzungen jeweils optimal?
  • Wie beeinflusst der Führungsstil die Formulierung von Zielen und deren Umsetzung?

 

  • Belohnungs- und Anreizsysteme:
  • Welche Anreizsysteme führen zu zielrationalem Handeln?
  • Welche Anreizsysteme sind kompatibel mit den Bedürfnissen von Medienschaffenden?

 

  • Controlling und Kreativität:
    • Wie lässt sich die Balance zwischen wirtschaftlicher Kontrolle und kreativer Freiheit in Medienorganisationen aufrechterhalten?

 

  • Motivatoren des Managements:
    • Inwiefern überschneiden sich Organisationsziele und Motivatoren von Medienmanager:innen?
    • Wie beeinflusst diese Dynamik die Gesamtleistung des Unternehmens?

 

  • Medienregulierung und irrational handelnde Organisationen:
    • Welche Auswirkungen haben die Handlungen irrational handelnder Medienorganisationen auf Medienregulierung und umgekehrt?

 

  • Medienregulierung als Ergebnis von Konstellationen aus Individuen:
    • Wie beeinflussen individuelle Zielsetzungen die Formulierung von Medienregulierungen?
    • Welcher Zielrationalität folgen Regulierer?

 

  • Innovation trotz oder wegen irrational handelnder Individuen:
    • Anhand welcher Zielsetzungen werden Entscheidungen über Innovationsadoption getroffen?
    • Welche Rolle spielen verschiedene (konfligierende) Zielrationalitäten dabei?

 

  • Bedingt rational handelnde Individuen als Ressource im Geschäftsmodell:
    • Inwiefern kann scheinbar irrationales Handeln einen Beitrag zur Unternehmensentwicklung leisten?
    • Welche Rolle spielt Zielrationalität bei der Exploration neuer Geschäftsfelder?

 

  • Rationale Organisationen aus irrationalen Individuen?
    • Wie beeinflussen organisationale Dynamiken Zielsetzung und -erreichung?

 

  • Zielgrößen und deren Messbarkeit:
    • Welche Zielgrößen sind sinnvoll messbar?
    • Lässt sich Rationalität operationalisieren?
    • Welchen Nutzen hat internalisierte Zielambiguität?

 

  • Medienschaffende zwischen Auftrag und Monetarisierung
    • Welche Zielsetzungen berücksichtigen Medienschaffende in der Produktion von Inhalten?
    • Welche Rolle spielen (widerstreitende) Rollenorientierung und organisationale Einflüsse?

Daneben wird ein offenes Panel angeboten, in dem aktuelle Beiträge ohne direkten Bezug zum Tagungsthema vorgestellt werden können.

Einreichungen sind bis zum 31.05.2024 als anonyme Extended Abstracts bis maximal 6000 Zeichen (inklusive Leerzeichen und ggf. Literaturangaben) möglich. Beiträge dürfen zum Zeitpunkt der Einreichung noch nicht publiziert oder auf anderen Tagungen vorgetragen worden sein. Alle Beiträge werden von mindestens zwei Gutachter:innen beurteilt. Kriterien sind dabei:

  • Passung zum Tagungsthema
  • Originalität
  • Wissenschaftliche und gesellschaftliche Relevanz
  • Theoretische Fundierung und Beitrag zur Weiterentwicklung
  • Methodische Stringenz
  • Prägnanz der Darstellung

HIER GEHT ES ZU EINREICHUNGSTOOL

Bei Fragen zur Tagung stehen Ihnen Bjørn von Rimscha, Gianna Ehrlich und Robin Riemann gerne zur Verfügung. Die Fachgruppentagung beginnt am 25. September 2024 mit einem Doktoranden-Workshop, der in Kooperation mit MedienökonomieJR organisiert wird. Am Abend des 25. September 2024 heißen die Veranstalter alle Teilnehmer:innen herzlich zum Get-Together willkommen. Die Tagung endet am frühen Nachmittag des 27. September 2024 und findet an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz statt. Nähere Informationen zum Programm, zu Unterkunftsmöglichkeiten und weiteren Details werden auf der offiziellen Tagungswebsite veröffentlicht.

Wie in den vergangenen Jahren wird die Fachgruppe Medienökonomie einen Best Paper Award vergeben. Die Ausschreibung für diesen Preis erfolgt separat. Im Rahmen der Tagung wird auch der Nachwuchspreis mit einem Preisgeld von 300€ verliehen. Auch hierzu wird eine separate Ausschreibung erfolgen. Darüber hinaus planen wir, vier bis fünf ausgewählte Full Paper in der Zeitschrift MedienWirtschaft zu veröffentlichen. Die Möglichkeit einer weiteren Veröffentlichung in Form eines Proceedings wird kurzfristig basierend auf den tatsächlichen Einreichungen entschieden.

Wir freuen uns darauf, Sie bald in Mainz begrüßen zu können!

 

Bjørn von Rimscha, Gianna Ehrlich und Robin Riemann